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Rheumakinder möchten auch gern in die Schule

25.November 2023 | Charity, News

Der heutige Beitrag handelt vom Lara-Sophie, einem 11-jährigen Mädchen, die unter einer seltenen Autoimmunerkrankung leidet: MCTD (Mixed connective tissue = Sharp-Syndrom). Vereinfacht übersetzt heißt dies „Mischkollagenosen“. Es mischen sich mehrere Symptome einer Erkrankung, wie z.B. die einer Polymyositis, systemischer Lupus erythematodes und eine systemische Sklerodermie. Als typische Symptome können Gelenkschmerzen auftreten, das Raynaud-Syndrom, Hautveränderungen, Muskelschwäche und Erkrankungen der inneren Organe. Durch die Feststellung bestimmter Antikörper und verschiedener Bluttests wird die Diagnose gestützt. Zusätzlich leidet Lara noch mit Vaskulitis, an dem sogenannten Overlap-Syndrom, was die ganze Sache noch komplizierter macht.

Ein langer Weg bis zur Diagnose

Alles fing in 2017 an. Laras Eltern stellten irgendwann fest, dass sie viele Sachen nicht so machen konnte wie andere Kinder. Sie konnte kein Fahrrad fahren, sie konnte sich nicht allein auf den Boden setzen oder wieder aufstehen, alles fiel irgendwie schwer. Die ersten Arztbesuche fingen an und endeten damit, dass Lara gesund sei, sie solle mehr Sport machen und abnehmen. Doch wie? Genau das ging ja nicht.
Irgendwann kam sie die Treppe nicht hoch, die Eltern waren ungeduldig, sie solle sich nicht so anstellen. Schließlich sagen die Ärzte immer wieder da ist nichts. Es wurde sogar vorgeschlagen eine Psychotherapie für das Kind zu organisieren und der Mutter wurde empfohlen, sich endlich keine Sorgen mehr um ihr Kind zu machen. Sie sollte sich halt einfach für den Kopf entscheiden, statt auf ihr Bauchgefühl zu hören.

Der Versuch Sport zu machen

Nach einiger Zeit war Lara-Sophie bei verschiedenen Sportvereinen angemeldet. Am längsten beim Schwimmen. Doch alles scheiterte. Sie konnte vieles nicht mehr leisten und hatte körperliche Einschränkungen. Beim Schwimmen fing sie irgendwann an Wasser zu schlucken, es ging ihr noch schlechter, die Kraft lies nach, sie konnte ihren Kopf nicht mehr weitgenug oben halten. Also diese Leidenschaft war nun auch vorbei.

Grundschule stellt körperliche Einschränkungen fest

Dann sprach die ehemaligen Klassenlehrkraft die Eltern an. Das Kind könnte gar nicht seitlich auf die Tafel schauen und auf den Boden kommt sie weder runter geschweige wieder hoch. Das sei nicht normal in diesem Alter. Außerdem würden sich ihre Finger bläulich verfärben, sobald sie körperliche Anstrengungen hatte. Sie sollten das bitte mal überprüfen lassen.

Seltene Autoimmunerkrankungen

Natürlich wurde auch diese Empfehlung angenommen – auch wenn man schon Angst vor den Reaktionen hatte. Doch dieses Mal wurde genauer hingeschaut. Blutwerte waren auffällig, die ungewöhnlich in diesem Alter sind. Es folgten Klinikaufenthalte mit zahlreichen Tests und Untersuchungen. Endlich stand die Diagnose. Lara-Sophie hat mehrere seltene und schwere Autoimmunerkrankungen (siehe Anfang). Der Schock war groß, ebenso die Verzweiflung. Gefühle fuhren Achterbahn: Was bedeutet diese ernste Erkrankung für das Kind, für die Familie? Warum hat uns keiner ernstgenommen? Wieviel wertvolle Zeit ist von 2017 bis August 2021 verloren gegangen? Wie sollen wir als Familie alles hinbekommen? Fragen über Fragen. Um für das Kind da zu sein, musste die Mutter ihren Job aufgegeben.

Besonders schlimm war für sie, was nun das Bauchgefühl machte. Hatte man es doch auf Anraten gegen den Kopf ausgetauscht.

In den letzten zwei Jahren hat die Familie die Erkrankung von vielen Seiten kennenlernen müssen. Mit allen Höhen, Tiefen, Ängsten, unzähligen Krankenhausaufenthalten, Ergo- und Physioterminen und vielen Fehlzeiten in der Schule. Irgendwann griffen Medikamente, so dass sie – soweit es der Mix ihres Krankheitsbildes zulässt – einigermaßen gut eingestellt ist. Nichts desto trotz gibt es viele Einschränkungen.

David-Fabricius-Grundschule lebt Inklusion

Nach vielen Steinen, die Lara-Sophie in ihrer alten Grundschule in den Weg gelegt worden sind, haben sich die Eltern entschieden ihr Kind an einer anderen Schule anzumelden. Erste Vorgespräche mit der Schulleitung der David-Fabricius-Grundschule verliefen sehr positiv. Bedenken, dass ihr Kind an einer Sport fördernden Schule nicht mithalten kann, wurde schnell durch die Rektorin Frau Clemens-Hedemann aus dem Weg geräumt. Für sie steht „Inklusion leben“ ganz oben auf der Liste. Lara-Sophie wechselte die Schule und kam in die 4. Klasse, wo auch ihr Klassenlehrkräfte sie bestens unterstützt haben. Von ihren Mitschülern wurde sie schnell in ihrer Mitte aufgenommen, so dass der Anschluss problemlos lief.

Lara fehlte öfters durch ihre Erkrankung, auch durch Krankenhausaufenthalte. Es entstand die Idee, einen kleinen Roboter namens Avatar anzuschaffen. Dieser würde im Klassenraum stehen und Lara-Sophie von zu Hause aus integrieren. Der kleine Freund hat Augen, ein Mikrofon, kann sprechen und den Kopf nach unten und leicht zur Seite neigen. Die ideale Lösung. Lara kann direkt Fragen von zu Hause stellen und sie aus dem Klassenraum beantwortet bekommen. Sie kann an Gruppenarbeiten teilnehmen und Geschichten vorlesen. 

David Fabricius Grundschule

Hürdenlauf bis zum Avatar-Einsatz

Leider galt es vorher noch einige Hürden zu nehmen. Daher machten sich unsere Vorstandsmitglieder Michael Krieger und Kerstin Bennecke auf den Weg nach Osteel zu einem Elternabend. Sie berichteten über die Erkrankung und die vielen Schwierigkeiten, die damit einhergehen. Sie warben um Verständnis und um Unterstützung für Lara-Sophie, denn schließlich mussten alle Eltern und Lehrkräfte dem Einsatz des kleinen Avatars zustimmen. Auch das Kultusministerium musste „abnicken“. Überzeugungsarbeit war gefragt.

Im Nachgang haben wir uns sehr für die Familie gefreut, wie schnell und ausnahmslos alle Eltern, Lehrkräfte und natürlich die Rektorin und der Klassenlehrer dem Einsatz des Avatars zugestimmt haben. Beim Kultusministerium hat es zwar etwas länger gedauert, da noch rechtliche Fragen geklärt werden mussten, aber am Ende kam die Zustimmung (Inklusion ist nun mal gar nicht leicht).  Der ganze Vorgang wurde bestens von der Firma „No Isolation„, die den kleinen Avatar entwickelt haben unterstützt. Sie haben das Zustimmungsverfahren begleitet und beim Installieren der Software mit Rat und Tat zur Seite gestanden.

„Water“-Challenge und Strumpfband

So ein kleiner Avatar sieht zum Verlieben aus,  kostet allerdings auch viel Geld. Deshalb haben wir uns vom Verein RheumaKinder e.V. auf die Suche nach einem Sponsor begeben und sind dabei auf den Bauunternehmer Walter de Groot aus Großheide gestoßen. Dieser hat sich sofort bereit erklärt uns zu unterstützen, um Lara-Sophie zu helfen.

Im Rahmen einer Sommerveranstaltung seines Unternehmens, lud er Lara-Sophie und ihre Familie ein, stellte die Familie vor und warb im Rahmen einer „Water-Challenge“ um Spenden bei den MitarbeiterInnen. Einer der Mitarbeiter hatte kurz vorher geheiratet und ist auf die Idee gekommen, das Strumpfband seiner Frau am Hochzeitsabend zu versteigern. Der Erlös sollte mit für den Avatar verwendet werden. Die Hochzeitsgesellschaft war in bester Stimmung und hat das Strumpfband gleich drei Mal versteigert, so dass etwa 1.500 Euro zusammengekommen sind.

Bauunternehmen de Groot mit Team spenden 5.100 Euro

Nach der Veranstaltung teilte uns Herr de Groot stolz mit, dass es eine enorme Spendenbereitschaft seiner Belegschaft gab. Gemeinsam mit seiner und der Spende seines Teams haben wir den Avatar zuzüglich drei Jahren anfallender Nebenkosten für Lara-Sophie anschaffen können. Dieser wurde sofort nach Genehmigung des Kultusministeriums erworben und übergeben. In vereinten Kräften hat die David-Fabricius-Grundschule vor Ort geholfen, dass der Avatar ganz schnell einsatzbereit für Lara war.

Im Sommer  ist Lara-Sophie in die 5. Klasse einer weiterführenden Schule gekommen. Auch hier wurde das Genehmigungsverfahren eingeleitet. Leider liegen bis heute noch immer nicht alle Unterschriften vor, so dass Lara-Sophie den Avatar zurzeit nur bei Klassenarbeiten einsetzen darf.

Bauunternehmen de Groot

 

Von uns an Euch

Wir möchten uns von ganzem Herzen für die unglaublich tolle Unterstützung aller Beteiligten bedanken. Rektorin Frau Clemens-Hedemann und ihr Team leben Inklusion in ihrer Schule, die Eltern haben sich sehr empathisch verhalten und dabei geholfen, dass alle ihre Unterschrift abgeben. Herr de Groot und sein ganzes Team haben den Avatar durch ihre charmanten Ideen und großzügigen Spenden ermöglicht. Chapeau!