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Erzähl doch mal Katrin

19.November 2023 | News

Diagnose: Psoriasis-Arthritis

Hallo, ich bin Katrin, 22 Jahre alt und habe Psoriasis-Arthritis.

Meine Beschwerden fingen an, als ich in der Grundschule war. Ich habe lange Zeit nicht über meine Schmerzen gesprochen, da ich bei meinem Bruder gesehen habe, was einige Medikamente an extremen Nebenwirkungen haben können. Davor hatte ich Angst.

Magst Du grob umschreiben, wie es für Dich in der Schule lief?

Meine Erfahrung mit der Diagnose Rheuma ist relativ durchwachsen. Während der Schulzeit haben dreiviertel meiner Mitmenschen die Einschränkungen meines Rheumas und die sich daraus ergebenden Bedürfnisse nicht akzeptiert oder verstanden. Das restliche Viertel war sehr hilfsbereit und zeigte Verständnis.

Von einigen Lehrkräften wurde ich gut unterstützt. Bei anderen hatte ich das Gefühl, ich sei das erste Kind auf der Schule, welches die Lehrer mit Rheuma konfrontierte.

Nachteilsausgleich
In der Schule hatte ich einen Nachteilsausgleich und sehr viel Aufklärung meinerseits durchgeführt. Es war oft ein Kampf, ich hatte selten richtige Unterstützung. Ich bekam was mir zustand, aber das eigentlich nur mit viel „Gemecker“, obwohl es sich um eine behindertenfreundliche Schule handelte.

Mitschüler und Eltern
Auf Grund meines Nachteilsausgleichs haben Eltern zum Teil ihre Kinder gegen mich aufgehetzt. Ich durfte während einer Klausur mit einem Laptop schreiben. Es fielen Sätze wie: „mein Kind sei gegenüber Katrin benachteiligt“ oder „Katrin könnte mit ihrem Laptop während der Arbeiten nach Lösungen googeln“. Bei vielen meiner Mitschüler traf es immer wieder auf Unverständnis, warum ich oftmals nicht am Sportunterricht teilnehmen konnte, ohne jedes Mal ein neues Attest vorlegen zu müssen.

Lehrer
Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch mit zwei Lehrkräften, indem sich folgender Satz bei mir einbrannte: „Warum soll ich dir Unterlagen per Email schicken, wir sind doch hier nicht im australischen Outback. Du kannst ja wohl deine Unterlagen von der Schule abholen“. Aber genau das ging ja gerade nicht.

Ich wurde ständig mit einem anderen Rheumakind in meiner Klasse verglichen: „Er schafft es doch auch, wieso du denn nicht?“ Und dass, obwohl wir beide völlig unterschiedliche Rheumaformen und Krankheitsverläufe hatten, was auch mehrfach den Lehrkräften erklärt wurde.

Fehlzeiten
Zudem stiegen meine Fehlzeiten, denn durch Infekte konnte ich meine Medikamente nicht nehmen, was dazu führte, dass ich immer wieder in Schübe kam. Wenn ich es in die Schule mit einem Schub geschafft hatte, war ich froh. Oftmals bin ich wegen meiner Morgensteifigkeit erst etwas später hin.  Manchmal musste ich früher wieder los, weil ich wegen meiner Schmerzen nicht länger durchhalten konnte. Viele meiner Klassenkameraden haben auch dies nicht verstanden.

Hat sich deine Erkrankung auf deine Karrierepläne ausgewirkt?

Ja hat es. Auf Grund meines Rheumas hatte ich viele Fehlzeiten. In meinem letzten Schuljahr konnte ich für drei Monate nicht in die Schule, weshalb ich die Klasse wiederholte.

Ich hatte psychische Probleme, wurde Schulmüde, musste immer mehr machen als die anderen, musste das alles nachholen trotz Schmerzen, Medikamenten, zahlreichen Arztbesuchen und trotz Psychotherapie. Deshalb habe ich mich dazu entschieden erst einmal einen guten Realschulabschluss zu machen.

Nach dem Abschluss habe ich die Schule gewechselt. Ich wollte noch einmal einen neuen Anlauf mit einem neuen Umfeld, quasi mit einer neuen Identität starten. Es lief richtig gut, ich wurde bestens mit meinem Rheuma unterstützt, hatte einen Nachteilsausgleich bekommen und durfte bei Bedarf mit einem IPad schreiben. Es lief alles bestens.

Bis der nächste lange Schub kam.

Was hast Du nach der Schule gemacht?

Eigentlich war es mein Wunsch Medizin zu studieren. Aber durch den Krankheitsverlauf musste ich mich umorientieren. Dabei bin ich auf die Zahnmedizin gekommen. Ich bin derzeit in der Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten.

Wie kommunizierst Du in der Schule/Arbeit über dein Rheuma?

Bei der Arbeit habe ich meinen Vorgesetzten und den Kolleginnen nicht erzählt, dass ich Rheuma habe. Mein Vorgesetzter sieht zwar auf dem Attest, das ich bei einem Rheumatologen war, aber niemand stellt Fragen hierzu.

Leider musste ich bei Bewerbungsgesprächen die Erfahrung machen, dass ich nach der offenen Kommunikation bezüglich meiner Erkrankung, Absagen erhalten habe. Aufgrund dessen habe ich mich dazu entschieden, die Diagnose zu verheimlichen.

In der Berufsschule weiß die Klassenlehrerin Bescheid. Einen Nachteilsausgleich habe ich nicht beantragt, da ich dann den Arbeitgeber einweihen müsste, was ich nicht möchte. 

Beeinflusst das Rheuma Deine Arbeit?

Seit längerem bin ich so gut medikamentös eingestellt, dass ich meine Ausbildung gut schaffe, zwar nicht immer leicht, aber bisher hatte ich wegen meines Rheumas nur einen Fehltag in den letzten 21/2 Jahren. Ab und zu habe ich Einschränkungen bei der Arbeit mit meinen Händen, wenn ich viel Kraft aufwenden muss.

Welche Strategien hast Du entwickelt, um mit Energie- und Ermüdungsproblemen, Schmerzen oder Steifheit während der Arbeit umzugehen?

Einfach weitermachen. Dadurch, dass niemand auf der Arbeit von meiner Diagnose weiß, kann ich nicht mit speziellen Hilfsmitteln gegenwirken. Früher in der Schule hat immer eine Freundin für mich mitgeschrieben oder hat sich für mich gemeldet.
Der Patient kann nicht warten, der Arzt kann nicht warten. Abends im Bett bin ich zwar richtig kaputt, aber es ändert ja nix.

Wie gehst Du mit der Balance zwischen Arbeit und Selbstfürsorge um?

Also wenn man eine Balance hätte, wäre das schon toll. Ich muss aber sagen, ich bin in der Ausbildung. Ich muss für die Berufsschule lernen, ich arbeite lange, ich versorge mich selber. Ich habe eigentlich momentan kaum Freizeit. Und wenn doch mal, muss ich meine Wohnung putzen und Wäsche waschen. Wenn ich dann noch Zeit für mich finde, versuche ich Yoga oder Sport zu machen.

Weißt Du, dass der Verein RheumaKinder e.V. bis zur Vollendung des 24.-Lebensjahres unterstützt?

Ich wusste gar nicht, dass der Verein bis zum 24. Lebensjahr unterstützt. Das finde ich gut. Als ich meinen Schulrucksack bekommen habe, da war es noch bis zum 18. Lebensjahr.

Hast Du Tipps für andere Menschen mit Rheuma, die sich in ihrer Karriere weiterentwickeln oder nach neuen beruflichen Möglichkeiten suchen?

Nimmt euch Zeit, um euch auf euren Körper zu konzentrieren. Es bringt nichts, sich auf etwas zu stürzen, wenn dein Körper noch nicht mitzieht. Irgendwann kann es sein, dass man dann darin gefangen ist. Lieber erst einmal einen Schritt nach dem anderen. Man sollte sich immer wieder klarmachen, dass einiges etwas länger dauern kann und nicht immer sofort sein muss. Nachdem ich endlich richtig medikamentös eingestellt war, lief vieles sehr viel besser, so dass ich endlich ein relativ normales Leben führen kann.

Ich habe hohe Erwartungen an mich, auch wenn es nicht immer einfach ist. Lehrerkräften empfanden mich öfters als „Mehrarbeit“ und viele Mitschüler denken, du kriegst eine Extrawurst. Auch wenn ich weiß, dass es lieb, mitfühlend und verständnisvoll von der Familie gemeint ist, bist du dennoch oft das verletzliche, arme Kind. Wenn ich keine Erwartungen an mich selbst hätte, wer denn dann?

Ich sah eigentlich immer nur die Krankheit und was ich nicht konnte. Auch sah ich alles, was ich machen und aufholen musste um in der Schule mitzukommen. Irgendwann half es mir, mir bewusst zu machen, was ich eigentlich alles kann, was die anderen nicht können.

Ich kann mich unheimlich gut in andere Menschen einfühlen, habe unglaublich viel Verständnis für jegliche Art von Menschen entwickelt. Du merkst, dass jeder Mensch ganz unterschiedlich ist, ob körperlich, äußerlich oder auch innerlich. Ich habe dadurch gelernt, den Menschen dahinter wahrzunehmen. Ich glaube ohne meine Erkrankung hätte ich das nicht so früh verstanden.

„Nimm dir Zeit“ als Aussage zu treffen ist eigentlich genau das Richtige. Aber leider funktioniert es oft nicht, weil unsere Welt halt nicht so ist.