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Erzähl doch mal Svea

19.November 2023 | News

Diagnose: Juvenile rheumatische Polyarthritis – Interview Svea

Hallo, ich bin Svea, 23 Jahre alt und wurde mit juveniler rheumatischer Polyarthritis diagnostiziert.

 

Magst Du grob umschreiben, wie es für Dich in der Schule lief?

Meine Diagnose erhielt ich in der 6ten Klasse. Ich selbst hatte nicht das Bedürfnis meine Klasse über mich und mein Rheuma aufzuklären. Dennoch bot meine Mutter in Absprache mit mir an, dass sie beispielsweise auf Elternabenden über Rheuma bei Kindern aufklärt. Sie wollte Lehrkräften und Familien einen Einblick geben und um Verständnis werben, was es im Alltag bedeutet, wenn ein Kind Rheuma hat. Das Interesse seitens Dritter auf uns zuzukommen, bestand eigentlich nie. Es sind teilweise sogar Gesprächsangebote gänzlich abgelehnt worden oder sie fanden nur mit dem Klassenlehrer statt. 

Somit lernte ich während meiner Schulzeit schnell, dass das Verständnis, die Anerkennung und die Unterstützung von Lehrer zu Lehrer unterschiedlich ist. Besonders zu kämpfen hatte ich mit der Anerkennung meines Nachteilsausgleichs, bei dem es auch um das Schreiben mit einem Laptop ging. Tatsächlich wurde mir das Laptop erst in der 9ten Klasse genehmigt! 

Durch die Anschaffung meines Laptops fielen erste Kommentare meiner Mitschüler wie: „Wenn das so ist, dann will auch einen Laptop haben…“, „aber außerhalb der Schule kannst du auch Sport machen.“  Nachdem dann der Deutsch- und Klassenlehrer darüber aufgeklärt hat, dass ich auf dieses Laptop aufgrund meines Rheumas angewiesen bin, wurde mir direkt Akzeptanz gezeigt. Dennoch gab es in bestimmten Situationen wiederholt wenig Verständnis. Einige dachten sogar, dass meine Benotung aufgrund meines Rheumas wegfällt. Dies traf allerdings nur auf das Fach Sport zu, weil ich keinen Schulsport mitmachen durfte.
Im Gegenteil, ich wurde genauso wie alle benotet. Weiterhin würde ich sagen, dass ich in der Schulzeit, wenn es mir gesundheitlich gut ging (keine Schübe, keine Infekte), immer alles nachgearbeitet habe, bis ich dann letztendlich wieder krank war. Somit fing der Kreislauf von vorn an.

 

Was hast Du nach der Schule gemacht?

Ich bin zur Uni und habe angefangen zu studieren. Ich habe meinen Master in klinischer Psychologie absolviert und meine Approbation als Psychotherapeutin ohne Fachkunde erhalten. In meinem weiteren Berufszweig möchte ich als Therapeutin arbeiten. 

 

Gab es Herausforderungen?

Auf der Uni zeigte sich schon ganz am Anfang die erste Hürde – es gibt keinen Nachteilsausgleich! Somit mussten wir diesen erst einmal „erstellen“. Durch ärztliche Empfehlung bekam ich bei Klausuren einen Laptop. Aufgrund der herrschenden Anwesenheitspflicht wurden mir höhere Fehlzeiten genehmigt, falls ich aufgrund meines Rheumas nicht an der Vorlesung teilnehmen konnte. Überwiegend erhielt ich nur den geplanten und nachträglich genehmigten Nachteilsausgleich als Unterstützung.

 

Wie kommunizierst Du in der Uni bezüglich deines Rheumas?

Dieses Mal kommunizierte ich viel früher über mein Rheuma, als damals in der Schule. Ich war positiv überrascht wie offen, verständnisvoll und zuvorkommend Kommilitonen, Dozenten und Leiter sind.

Beispielsweise war die Organisation eines Laptops in meiner letzten Klausur, wo sehr viel geschrieben werden mussten, nicht möglich, sodass ich mit der Hand schreiben musste. Es tat ihnen aufrichtig leid, so dass sie sich umgehend um eine Lösung bemühten. Sie gaben mir mehrere Optionen zur Auswahl, so dass ich letztlich meinen Nachteilsausgleich trotzdem in Anspruch nehmen konnte.

 

Beeinflusst Rheuma Deine Arbeit, wenn ja, gibt es Lösungen?

Schnell merkte ich, dass das Sitzen ein Problem darstellt und ich mich vor meinen Kollegen und Patienten nicht so hinsetzen kann, wie ich es mir guttut und wie ich am wenigsten Schmerzen habe. Im Schneidersitz zu sitzen, kommt leider nicht gut an. Bei meinem Praktikum zeigten manche Kollegen Verständnislosigkeit gegenüber meiner „Sitz-Art“ und sprachen mich darauf an, dass es unprofessionell sei.

Inzwischen habe ich einen neuen Arbeitsplatz. Ich bin positiv eingestellt, dass es zu mehr Verständnis kommen wird. Bedauerlicherweise verstehen viele nicht, wie mir der Schneidersitz guttun kann, wenn ich doch Knieschmerzen habe – so einfach ist das nicht zu erklären.

 

Wie kommunizierst Du mit Deinen Vorgesetzten und Kollegen?

Am Anfang ging ich nicht so offen damit um. Es fühlte sich so an, als hätte ich ein Geheimnis, welches ich niemanden verraten möchte. Dementsprechend kämpfte ich mit den Sorgen: „Was passiert, wenn Leute es erfahren?“.

Klar gab es Menschen, die Verständnislosigkeit zeigten, aber da muss man auch den Kontakt nicht aufrechterhalten. Freunde akzeptieren einen so wie man ist. 

Meine neuen Vorgesetzten habe ich bisher nicht darauf aufmerksam gemacht. Ich werde aber demnächst mein Rheuma bei meinen therapeutischen Kollegen ansprechen. Ich möchte nicht, dass es zu irgendwelchen Gerüchten kommt, falls ich aufgrund eines Rheumaschubes nicht anwesend sein kann. 

Welche Strategien hast Du entwickelt, um mit Energie- und Ermüdungsproblemen, Schmerzen oder Steifheit während der Arbeit umzugehen?

Wenn es zu Energie- und Ermüdungsproblemen kommt, sitze ich vor allem gern im Schneidersitz, da ich mich so wieder besser konzentrieren kann. Außerdem gehe ich regelmäßig zum Sport, egal wie es mir geht – natürlich angepasst. Besonders hilft mir mein Tablett.  Auf dem schreibe ich am besten, da ich weniger Druck anwenden muss als handschriftlich.

Eine Sache die in meiner Tasche nicht fehlen darf, ist ein kleiner Snack und Wasser, um meine Energie aufzutanken.

 

Welche Hilfsmittel hast Du an Deinem Arbeitsplatz eingeführt, um Deinen Alltag zu meistern?

Mein Tablett, einen verstellbaren Schreibtisch – der ist zwar neu, aber ich kann mir gut vorstellen, dass er hilft und einen Stuhl, auf dem man im Schneidersitz sitzen kann.

 

Wie wirkt sich Deine Erkrankung auf Deine Karrierepläne aus?

Ich habe mir einen Job ausgesucht, bei dem die körperliche Arbeit nicht im Fokus steht.

Glücklicherweise hatte ich zwei Berufswünsche, die beide mit der Diagnose Rheuma gut vereinbar gewesen wären. Ich wollte Lehrerin oder Therapeutin werden.

 

Wie gehst Du mit der Balance zwischen Arbeit und Selbstfürsorge um?

Ich habe gemerkt, dass ich zu wenig auf meine Selbstfürsorge geachtet habe. Denn gerade wenn ich Schmerzen habe, brauche ich viel Ruhe. Ansonsten wird es in der kommenden Woche schlimmer. Sobald es mir nicht gut ging und ich trotzdem eine Hausarbeit schreiben musste, habe ich nur so lange daran gearbeitet, bis sie gut war. Ich habe gelernt, dass gut genug ist und es nicht perfekt sein muss. Weiterhin  habe ich dabei gelernt, sorgsam mit meine Kräften umzugehen.

Wenn ich mich vernachlässige, gibt es zwar Konsequenzen, aber solange ich mir nicht langfristig damit schade ist es okay. Man will nicht immer nachgeben und das Rheuma gewinnen lassen. Ich erledige auch Sachen, wenn es mir dabei nicht so gut geht, mein Rheuma soll mir die Dinge nicht wegnehmen.

 

Hast Du Tipps für andere Menschen mit Rheuma, die sich in ihrer Karriere weiterentwickeln oder nach neuen beruflichen Möglichkeiten suchen?

Einen Tipp hätte ich: Seid offen und sprecht euer Rheuma an. Sobald kein Verständnis da ist, wechselt den Arbeitsplatz. Es wird einem ansonsten dort wahrscheinlich nicht gut gehen.

Außerdem solltet ihr den Weg zu eurer Schule, Uni oder Arbeit beachten. Solltet ihr längere Strecken mit einem Auto zurücklegen müssen, kann ich einen Tempomaten empfehlen, um die Schmerzen zu verringern.

 

Weißt Du, dass der Verein RheumaKinder e.V. bis zur Vollendung des 24.-Lebensjahres unterstützt?

Ja, das weiß ich. Deshalb habe ich damals einen Laptop für die Schule bekommen. der mir sehr geholfen hat. Nachdem dieser nicht mehr wollte, durfte ich im letzten Jahr ein gesponsertes Gerät testen, mit dem ich bis heute arbeite.